Texte

Kurzvita

1977Studium der freien Malerei im Rahmen eines Design-Studiums an der Fachhochschule Aachen bei Günther Knipp und Ladislaw Minarik. Performance Workshops bei Tony Morgan
1984Als freischaffender Künstler tätig.

Standortbestimmung

Figürliche Silhouetten, die nur im Ausnahmefall charakteristische Züge aufweisen und farblich hervortreten, sind bei den Arbeiten des Künstlers farblich und formal zurückgenommen. Diese reduzierten Schattenrisse legen die Frage der Identität nahe. Sie sind sehr suggestiv in ihrer Wirkung.Das Nebeneinandersetzen der gleichen Umrißfigur, der Mimik und Gestik fehlt, wird in seiner Gleichförmigkeit allein schon durch die Uneindeutigkeit der Betrachtungsrichtung (sieht man die Figur von hinten, von der Seite oder vielleicht von vorne?) gebrochen. Die torsohaften Silhouetten, die durch das Reihungsprinzip oder auch eine Staffelung Dynamik gewinnen, beziehen den Betrachter ein. Sie sind in unendlicher Folge fortgesetzt vorstellbar.
Dadurch herrscht eine Spannung zwischen gleichförmiger Reduktion, die durchaus meditative Wirkung hat, und dynamischen Aspekten. Diese entstehen durch die denkbare Fortsetzung der Reihung und durch leichte Variation der Figurenanordnung, die unter den Umrißfiguren eine Zuordnung, Zuwendung, Beziehung herstellt.
Die Halbfiguren sind zwar statisch und reduziert angelegt, verfügen jedoch über angedeutete Aktionsmöglichkeiten.

Die Arbeiten verbinden sich formal durch einen sehr hoch angesetzten horizontalen Farbstreifen. Dieser schafft durch Farbwirkung und seine Form Raumillusion. Als oberer Bildabschluß bleibt er inhaltlich doppeldeutig und macht neugierig. Der Blick verfängt sich in Gitterstrukturen vor hellem Hintergrund und z.B. schmalen blauen Farbflächen, die die Massivität des dunklen Balkens durchbrechen: 
Kurze Blicke – mögliche Ausblicke in weitere Räume oder eine unüberwindbare Raumsperre?

Der Künstler läßt sich von den materialtechnischen Möglichkeiten herausfordern: Arbeitsmaterialien und -techniken selbst wirken zum Teil als Zufallsgenerator, der Malprozeß wird in seiner zeitlichen Dimension auf den Bildern festgehalten. (Angelika König)

Rätselhaft und spannend: Bilder von Dobbelstein

„Menschen-Haltung“: Noch bis zum 30.Mai zu sehen in der neuen Galerie App ( Aachener Nachrichten 4.5.1995 )

Aachen (asp) Noch relativ neu in der Aachener Kunstszene ist die Galerie App in der Jülicher Strasse 95. Uralt ist hingegen die Technik mit deren Hilfe Josef Dobbelstein seine „Menschenhaltung“ ins Bild setzt. Dobbelstein zeigt bis zum 30. Mai seine Malerei.

„Es wird wieder gemalt!“ Schon einmal vor rund 15 Jahren gellte der freudig überrascht Ausruf durch die Kunstszene. Damals setzten die „Neuen Wilden“ im Farbrausch der Minimalistenabstinenz ein Ende. Das Echo dieses Aufrufs ist inzwischen längst wieder zu vernehmen. Bis in die Aachener Provinz. Was tun, wie darauf reagieren? Jauchzen, frohlocken – wie damals? Ach nein, das liegt hinter uns. Nüchtern hin sehen, was sich da bietet.

Im Falle Josef Dobbelstein ist das sehr viel schon Gesehenes: auf Silhouetten reduzierte menschliche Figuren, Dazu diverse Strukturen sich überdeckend, sich schneidend. Der Mensch anonym eingebunden in einer technoiden Umwelt. Schon gesehen also. Sehr oft sogar.

Ab da ist hinter alledem etwas, was fremdartig erscheint, nicht ganz zugehörig zum Genre der Malerei und was doch vertraut anmutet. Etwas Rätselhaftes. Da wird’s dann doch spannend. Zum einen ist da ein rätselhafter Schimmer, distanzierend und kalt. Und zum Anderen dieser bisweilen eigenartig vertrauter Bildaufbau. Die Fläche präzise in einzelne Felder zerlegt. Wie Fenster. Und dann macht es – scchon weil es im Bildtitel angegeben wird – plötzlich „clic“. „Window“. Genau. Das ist es.

Dobbelstein hat sich tatsächlich von dem System der Datenverarbeitung inspirieren lassen. Seine Bildflächen spiegeln den Aufbau eines Monitors mit “ WIndows“ – Oberfläche.

Statt präziser Informationen zeigen sie allerdings diffuse Strukturen, deren fremdartiger Schimmer von Metallic – Pigmenten herrührt die Dobbelstein seinen Farben beimischt. Diese Farbflächen beträufelt er mit Spiritus oder bearbeitet sie mit einem Schleifgerät sodass die Bilder den spurenhaften Charakter wiederentdeckter alter Fresken gewinnen.

Solcherart schlägt der Künstler eine Brücke zwischen dem heute und der Vergangenheit. Der, wie er es ausdrückt „künstlichen, multiplen Bilderflut“ stellt er die Einzigartigkeit des geplanten und doch letztendlich zufallsbedingten Bildresultate entgegen.

( Aachener Nachrichten 4.5.1995 )

MAUERN, GRENZEN, kurzer BLICK

Und da war noch dieser alte Mann, dessen ganzer Stolz daraus bestand, daß er mal vor langer Zeit gegen die Russen gekämpft hatte. So hielt er sich dann einzig durch die Tatsache aufrecht und am Leben, daß ohne ihn der freie Westen wahrscheinlich gar nicht mehr existieren würde.
Dies hatte natürlich zur Folge, daß alles und jeder ihn mit Hochachtung zu betrachten hatte, und natürlich konnte auch niemand sich der Tragweite seines Lebens und seiner Existenz bewußt sein. Dies machte ihm dann seine Einsamkeit noch einigermaßen erträglich.
In diesem Bewußtsein konnte er sich dann noch in relativer Sicherheit unter der Jugend seines Landes bewegen, was mit dem Geld der Sozialstütze nicht immer einfach war, und am Leben teilhaben, wie er es nannte.
Komischerweise schien das Leben einen Bogen um ihn herum zu machen.
Betrachtet man das Leben auch als atomares Hin und Her von Teilchen unterschiedlicher Energie, die ständig umherschwirren, ihre Bahnen ziehen, andere Teilchen anstoßen, sich und andere auf neue Bahnen bringen, runterziehen und draufbringen, manchmal zusammen verschmelzen, um was ganz Neues darzustellen, so schien unser Verteidiger der freien westlichen Welt ein ganz besonders großes Neutrum zu sein.
Hartnäckig weigerte er sich von anderen berühren zu lassen, sich auf andere Bahnen oder andere Energieniveaus schubsen zu lassen, geschweige denn mit anderen zusammen etwas Neues darzustellen. Man kann eigentlich gar nicht mehr behaupten, daß er noch seiner eigenen Bahn folgte. Er schien das Loch im Schweizer Käse zu sein.
Tja, aber unser Kosmos wäre nicht unser guter alter Kosmos, hätte er nicht selbst für solch hartnäckige Fälle seine Gesetze parat, und so strafte er unser Teilchen mit dem Zerfall.
Der Zerfall währet so lang, bis selbst das kleinste dahergelaufene Teilchen die Mauer durchbrechen, in das Loch des Schweizer Käse eindringen und es ganz schön aus der Bahn oder zum Schwingen bringen kann.
So kann unser alter Mann nur von Glück sprechen, daß die Russen es nun doch geschafft haben und der Wodka jetzt keine illegale Droge mehr ist!